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Personality Hopping

Du sitzt alleine an der Bar. Ein Wodka in der Kralle, ein Bier wirkt zu klischeehaft, und der klare Wodka hat etwas beruhigendes an sich. Als würden die Seelen der Menschheit auf einmal transparent und durchschaubar sein, sobald man sie durch den Boden des Glases betrachtet. Oder die Maserung der Theke, die psychodelischen Muster der Natur erscheinen im Kaleidoskop der berauschten, gefilterten Sinne plötzlich atemberaubend. Du fühlst dich beobachtet, doch jedes Mal, wenn du den Blick fast hoffnungsvoll erhebst, bist du in dieser Menge von Menschen alleine. Verlegen wendest du dich deinem Freund Gorbatschow zu. Lieber den Blick nicht schweifen lassen, sonst wirkt man verbittert, sobald man entlarvt wird, dass man nicht auf jemanden wartet. Beziehungsweise auf jemanden wartet, der es noch nicht weiß. Wie konntest du so naiv, so überheblich, so größenwahnsinnig sein, zu glauben, jemand würde dich bemerken? Du verabschiedest dich von deinem Wodka, lässt ihn ersetzen. In diesem Moment spürst du einen Blick auf dir, fängst ihn ein, erwiderst ihn, doch er hält unbeschämt stand. "Ich bin Elias", sagt er. - "Schön für dich. Ich nicht" Das hast du aus einem Film. Oder aus einem Buch, aber du traust deinen eigenen Worten nicht, traust ihnen nicht zu, dass sie Menschen im Gedächtnis bleiben würden. Du schämst dich etweder deiner Person oder deines Auftretens. "Was du nicht?" Es klappt nicht wie im Film oder im Buch. Enttäuschung macht sich in deinem Gesicht breit, der gerissene, freche, schlagkräftige Schleier um dich, den du selbst mit den Ausdünstungen erzeugt hast, verblasst. "Ich bin nicht Elias." - "Du hast mich angeschaut", wechselt er das Thema, ohne auf deine Nierderlage der Kommunikation einzugehen. "Weil du mich angeschaut hast. Ich habe deinen Blick auf mir ruhen gespürt." - "Aber du hast es nicht gesehen, also hast du zuerst geguckt." - "Ach Quatsch! Das ist wie mit der Schwerkraft oder Amerika - es war schon da, bevor es Newton oder Kolumbus aufgefallen ist." Ich wende mich in mich hinein schmunzelnd von dir ab. In Kneipen - dem nährreichsten Milieu der Parasitenforschung - bekommt man viele Rollen mit, aber diejenigen, die am Meisten vom Drehbuch abweichen, sind diese, die man sich am Meisten selbst zutraut.


11 Kommentare:

  1. WOW
    + wundervolles Bild.
    Du bist so talentiert!

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  2. ich beneide dich. Wie du alltägliche Dinge so schön verpacken kannst. Vielleicht verpackst du sie gar nicht vielleicht nimmst du sie wirklich so wahr, aber in beiden Fällen beineide ich dich. Steckt eine tiefere Bedeutung zwischen "Feast or famine"? (also ich weiß, was es übersetzt heißt, aber bedeutet das etwas für dich, welche Geschichte steckt dahinter?)
    <3

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  3. Vielen Dank für deine Worte..
    ich fühle mich verstanden von dir und das tut manchmal so gut.
    Ich helfe gerne anderen Menschen. Bloß wenn sie den selben Mist durchmachen müssen wie ich, dann reißt es mich zu sehr runter. Mit so etwas kann ich (noch) nicht umgehen. Ich kann trauma-bedingt mit vielen Sachen noch nicht wieder umgehen..
    Mein Papa hat mich gestern besucht und ich glaube, dass ihm das ganze ziemlich nahe geht. Und dass es ihm leid tut und er sich Sorgen macht. Er ist nur etwas zwischen den Stühlen, weil meine Großeltern mit im Haus wohnen und ihren Sohn gerne bei sich haben möchten, wenn er mal im Land ist. Und meine Großeltern verstehen mich nicht. Sie können mich gar nicht verstehen, weil ich es ihnen niemals erklären würde. Ich will ihnen meine Vergangenheit und mein Leid nicht antut. Ich glaube es wäre sehr sehr schlimm für sie zu hören, was mir passiert ist.
    Auch wenn mein Papa nichts an der Situation ändert bin ich so froh, dass er für mich da ist und mir zeigt, dass ich ihm wichtig bin.

    Es ist ein bisschen wie ein Versprechen, dass ich mir vor einiger Zeit selbst gegeben habe und ohne das ich mich damals sicher nicht dazu entschieden hätte weiter zu leben. Und zwar derartige Menschen aus meinem Umfeld zu entfernen und mich der eventuellen Gefahr, die von ihnen ausgeht, nie wieder auszusetzten.
    Viel zu viele Menschen verstehen nicht, wieso ich "es denn für die kurze zeit nicht einfach mal aushalte". Und jedes einzelne mal tut es so weh, so etwas entgegengebracht zu bekommen. Umso dankbarer bin ich gerade für jeden Menschen, der mein Handeln versteht und nachvollziehen kann. Vielen Dank <3

    Ich befürchte ich muss dir unter jeden einzelnen Blogeintrag schreiben, dass du so wunderschön schreibst. Weil es einfach immer das erste ist, was ich mir dazu denke. Ich hoffe dich langweilt das nicht zu sehr. Dieses in Rollen schlüpfen, Realitäten erfinden, für Momente eine Person sein, die man nicht ist, und diese auch komplett zu verkörpern, mit all ihren Eigenschaften, kleinen Macken und Denkmustern.. ich denke das können die wenigsten. Wie gut oder schlecht das auf Dauer für einen selbst ist sei mal dahin gestellt.

    Ich mag es hier, ich mag wie du denkst, wie du lebst, wie du schreibst.
    You are really special <3

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  4. wunderschöner Text! "Als würden die Seelen der Menschheit auf einmal transparent und durchschaubar sein, sobald man sie durch den Boden des Glases betrachtet"

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  5. ich beantrage hiermit inoffiziell, dass ein Neoloismus in den Duden eingetragen wird, der in einem Wort diese folgenden Aspekte beschriebt:
    -Sonntagnachmittags auf dem Sofa sitzend, mit einer Tasse Tee und deinen Blog lesend, durchzogen mit tiefster Glückseligkeit und Lieblichkeit, die Wärme, die einen erfährt, erhascht einen auch, wenn man ein Gedicht aus der Romantik liest...

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  6. du kannst echt toll schreiben. und wie du die menschen um dich betrachtest - wie romanfiguren, man meint, es läge an der welt, dass man nie menschen wie alaska, holden caufield etc trifft, aber in wahrheit liegt es an einem selbst. und nur bestimmte menschen - großartige menschen - sehen die welt um sich so dass sie sie auch schriftlich so dokumentieren können und figuren wie holden caufield heraus kommen... du gehörst dazu.

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  7. Es bedar wirklich viel talent, neurosen, unsicherheiten und komplexe in einem satz zu formulieren und es trotzdem im schillernden licht erscheinen zu lassen

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  8. Vielen Dank für deine lieben Worte. Und ich glaube, dass du recht hast mit dem was du geschrieben hast. Jede Gefühlsregung, ist besser als nicht mehr spüren.

    Ich habe grad ein bisschen in deinem Blog gestöbert und muss bei Gelegenheit (von denen ich in nächster Zeit noch viele haben werde) noch einmal rein schauen. Toller Schreibstil. So ausdrucksstark und persönlich.

    Alles Liebe ♥

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  9. Hey, tut mir leid, dass ich mich erst jetzt melde.

    Mit meinem Buch läuft es gut. Eins ist beendet, an vier weiteren schreibe ich noch.

    LG !!!

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  10. Das Zitat ist aus The Perks of Bring a Wallflower, mein absolutes Lieblingsbuch und der Film ist auch richtig gut umgesetzt. ruhig reinschauen, wenn es schön nicht passiert ist.

    eines der vier anderen ist ne Fortsetzung, der Rest sind eigenständige Werke, die ich alle auf Bookrix schreibe. also sind sie da auch schon einlesbar haha :-)

    richtig schöner Text übrigens, wie immer. dein Talent hätte ich gern. LG!!!

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  11. Vielen, vielen Dank für deine Kommentare, ich hab mich sehr gefreut. ♥
    Und ich muss dir mal sagen, dass ich deinen Blog - sowohl in Bezug auf Design als auch auf den Inhalt - wundervoll finde, perfekt. Und du bist so begabt! Im Zeichnen und im Schreiben, du hast großes Talent!

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Vielen Dank für jeden Kommentar ♥
Ich behalte es mir allerdigs vor, Anfragen auf gegenseitiges Verfolgen etc entweder zu ignorieren, entzürnt zu reagieren oder es einfach zu löschen. Comprende?