HOME TUMBLR LESENSWERT ZEICHNUNGEN DISCLAIMER FOLLOW ARCHIV

Blog-Archiv

Gescholten

Warum habe ich aufgehört zu essen? Die Antwort, wie sie mir so viele immer in den Mund legen wollen, kann nicht sein, dass ich abnehmen will, denn dieses Ziel kann ich auf anderem Wege ebenso erreichen. Und zwar auf weniger destruktiven Wegen, deren Schlaglöcher ich seit 2009 besser kenne, als ich es mir eingestehen möchte. Einmal reanimiert, weil das Herz zu schwach war, um mir länger Zeit zu geben, mir Gründe zu überlegen, warum es noch einen Sinn hätte. 20% Nierenfunktionalität und Knochen, die keine 80-Jährige haben wollen würde und ausgeleierte Haut und... Wer 6 Monate in völliger Nahrungskarenz leben kann, der kann auch drei Mahlzeiten täglich in gezügeltem Maße zu sich nehmen, hat meine Therapeutin damals während eines Klinikaufenthaltes gesagt. Habe ich mit dem Essen aufgehört, um mir zu beweisen, dass ich auch ohne kann? Dass ich der Übermensch bin? Eine Art Machtspiel, um mir zu beweisen, dass mein Körper und mein Geist nicht im Geringsten in Koalition stehen? Dass jeglicher Missbrauch an meinem Körper keine Auswirkungen auf meinen Kopf hat? Um mir darzulegen, dass egal, was mich physisch berührt, es mich psychisch nicht berührt? Kein Fingerrillenwirbel zwischen meinen Beinen kann meinem seelischen Zustand etwas anhaben und kein Hungerstreik der Welt kann mich zugrunde richten. Ist es das? Oder will ich mir diesen Sinn nur einreden, damit das überhaupt einen Sinn hat? Und alles einen Nimbus von Heiligkeit abbekommt? Vielleicht ist es nicht einmal das. Vielleicht nur ein egoistischer, narzisstischer, egozentrischer Autoritätszug um andere zu Boden zu zwingen. Ein Akt der Dreistigkeit, der auf dem Schulderhaltungssatz aufbaut. Ursachen sind keine Symptome. Und Weltschmerz oder Schmwermut sind keine Ausrede. Mittlerweile drücke ich meine Kippen in Aschenbechern aus und nicht in Armbeugen, ich verwahre Kreditkarten statt Rasierklingen in den vorgesehenen Fächern in meinem Portmonnaie auf und ich esse meinen Teller auf. Na ja, okay. Sagen wir, ich esse.

8 Kommentare:

  1. das mag jetzt mega engstirnig und dumm klingen, aber so habe ich noch nie drüber nachgedacht.

    AntwortenLöschen
  2. ich habe mittlerweile 46 Bücher mit der Thematik Essstörung in meinem Büchrregal stehen
    aber keines hat auf selbiger Fläche so viel auf den Punkt gebracht und ... einfach rausgehauen.
    ehrich.
    Reschbekt.

    Jarik (:

    AntwortenLöschen
  3. gecholten... schel­ten... stark romantisierend. und exakt in dieser intension passend für diesen unglaublichen text

    AntwortenLöschen
  4. geht es dir gut, bist du noch da?

    AntwortenLöschen
  5. Liebe Elena, da dein Post von gestern nicht mehr da ist schreibe ich dir unter diesen wundervoll geschriebenen Text. Ich glaube nicht, dass es Egoismus oder Narzissmus waren, die dich in diese Krankheit getrieben haben. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen, bei einem Menschen, der so reflektiert schreiben und denken kann wie du.
    Darf ich fragen, wie es dir inzwischen geht?
    Alles Liebe <3
    Lia

    AntwortenLöschen

Vielen Dank für jeden Kommentar ♥
Ich behalte es mir allerdigs vor, Anfragen auf gegenseitiges Verfolgen etc entweder zu ignorieren, entzürnt zu reagieren oder es einfach zu löschen. Comprende?